Kommunalwahl 2016
Karl-Steinheimer-Platz?
Wir, die Schiersteiner CDU, möchten seit vielen Jahren einen kleinen Platz nach Karl Steinheimer, dem Texter unseres Schiersteiner Liedes, benennen. In erster Linie scheitert dies am erbitterten Widerstand von BÜNDNIS 90 / Die Grünen, die selbst nach mehr als 60 Jahren eine nachweisliche Verfehlung von Karl Steinheimer, die heute wahrscheinlich mit einer Geldstrafe geahndet würde, für so gravierend und unverzeihlich halten, dass die Benennung eines kleinen Platzes (Wir hatten mehrfach die kleine Fläche um die Weinkelter vorgeschlagen) nach Karl Steinheimer keinesfalls möglich sei. ...
Das obige Zitat ist am 02.02.2016 auf Facebook erschienen. Normalerweise kommentieren wir die Wahlaussagen der anderen Parteien in Schierstein nicht. Da die CDU uns aber direkt ins Visier nimmt, möchten wir schon gerne auf die Fakten und unsere Positionen hinweisen:
- Das Schiersteiner Lied soll und wird auch weiterhin die „Hymne“ unseres Stadtteils bleiben, und als Autor des Textes gebührt Karl Steinheimer die entsprechende Anerkennung.
- Der Wunsch der CDU, einen Platz nach Karl Steinheimer zu benennen, ist selbstverständlich in Ordnung. Mehrfache Vorschläge dazu gab es im Gegensatz zu obiger Behauptung allerdings bislang nicht, jedenfalls nicht im dafür zuständigen Ortsbeirat.
- Dem Ortsbeirat hat lediglich ein Mal am 12.09.2006 ein Antrag der CDU vorgelegen, „den Platz mit der Weinkelter Ecke Christian-Bücher-Straße / Am Lindenbach in Karl-Steinheimer-Platz zu benennen“. Dieser Antrag wurde zunächst einstimmig angenommen. Basis dafür war unter anderem die im Protokoll festgehaltene Aussage „Die CDU-Fraktion versichert, dass deren sämtliche Recherchen keine Anhaltspunkte ergeben haben, die an der redlichen Vita des Karl Steinheimer Zweifel aufkommen lassen.“.
- Sehr intensiv scheint die CDU damals nicht recherchiert zu haben. Mit dem unten stehenden Artikel der „Biebricher Tagpost“ wurde anschließend jedenfalls ziemlich schnell das Gegenteil bewiesen.
- Der Zeitungsbericht belegt eindeutig, dass Karl Steinheimer seinen Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg bestohlen hat, und zwar als Hauptangeklagter einer fünfköpfigen Gruppe. Laut Urteil ging es um schweren Diebstahl, der damals mit zwei Jahren Gefängnis geahndet wurde. Da sind wir allerdings im Gegensatz zur CDU nicht der Meinung, dass es sich nur um eine Verfehlung handelt, die heute wahrscheinlich mit einer Geldstrafe geahndet würde.
- In der Sitzung am 07.12.2006 stellte dann SPD-Fraktionssprecher Pflugradt den Antrag, der Ortsbeirat solle seine ursprüngliche Zustimmung offiziell zurückziehen. Das wurde gegen die Stimmen der CDU beschlossen. Es ging dabei also nicht um „erbitterten Widerstand von BÜNDNIS 90 / Die Grünen“, sondern um eine demokratische Mehrheitsentscheidung, die von der SPD herbeigeführt wurde und bei der unsere Fraktion eine von elf Stimmen hatte.
Hier finden Sie den wesentlichen Teil des Textes aus der „Biebricher Tagespost“ vom 09.04.1936:
... Der Hauptangeklagte Steinheimer war bei dem Werk als Elektromonteur beschäftigt. Während seiner Arbeitszeit entwendete er im Laufe des Jahres 1934 nach und nach 36 Filme in Blechpackungen und verkaufte sie an einen Mitangeklagten für geringes Geld. Dieser Käufer äußerte auch das Verlangen nach einem Filmvorführapparat. Da der Hauptangeklagte sich in Geldverlegenheiten befand, entschloß er sich dazu, auch einen solchen Apparat bei seiner Arbeitgeberin zu entwenden. Er führte den Diebstahl in der Nacht vom 15. auf 16. März aus. Der entwendete Vorführapparat hatte einen Wert von 100 Mark und wurde von dem Dieb für 10 Mark weiterverkauft. Im Monat Mai 1934 verschwand aus dem Fabrikbüro ein Mikroskop. In diesem Falle hatte der Hauptangeklagte sich der Mithilfe eines Mitangeklagten bedient. Das Mikroskop erhielt ebenfalls der Käufer der gestohlenen Filme für den Preis von 10 Mark. Damit nicht genug, benutzte der Hauptangeklagte seine Beschäftigung bei dem Werk dazu, in der Folgezeit nach und nach im ganzen 11 elektrische Motore zu entwenden. Er nahm während der Arbeitszeit am Tage jeweils einen Motor vom Lager der Firma, versteckte ihn und holte ihn nachts. Jedesmal nahm er zu diesen Diebstählen sich seine Gehilfen mit. Käufer der meisten dieser gestohlenen Motore war der mitangeklagte Einwohner aus Schierstein. Bei einem im Oktober 1935 ebenfalls bei seiner Arbeitgeberin ausgeführten Diebstahl hatte der Hauptangeklagte sich der Mithilfe von zwei Personen bedient. Es handelte sich hierbei um einen großen Filmvorführapparat im Werte von 300 Mark. Der Kaufpreis, den der mitangeklagte Hehler bezahlte, betrug 20 Mark. Der Gesamtwert der beiden Filmapparate, des Mikroskops und der elf Motore belief sich auf etwa 2000 Mark. ...
Einige Passagen, im obigen Zitat durch drei Punkte kenntlich gemacht, wurden weggelassen, um die vier Mitangeklagten zu schützen. Dieser Artikel, der den Kolleginnen und Kollegen der Schiersteiner CDU wohlbekannt ist, sollte eigentlich reichen, die ganze Angelegenheit nicht als Geldstrafen-Bagatelle hinzustellen.
Wir hätten Karl Steinheimer die obige Diskussion gerne erspart. Andererseits handelt es sich bei seinen Gesetzesverstößen nicht um Bagatellen oder Kavaliersdelikte, so dass wir die Benennung eines öffentlichen Platzes weiterhin nicht für gerechtfertigt halten. Übrigens haben wir auch erhebliche Zweifel, ob die Landeshauptstadt Wiesbaden einer derartigen Benennung überhaupt die erforderliche Zustimmung geben würde.
Abschließend auch noch eine Anmerkung zu der häufig wiederholten Aussage der CDU, dass sie „Karl Steinheimer seine Jugendsünden nach so vielen Jahren endgültig verzeiht“. Das hört sich zwar sehr nett und mitmenschlich an, ist aber eigentlich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht das Thema. Verzeihen könnte der damals bestohlene Arbeitgeber, sofern es ihn nach über 80 Jahren noch gibt. Uns hat der Dichter des „Schiersteiner Liedes“ nicht angetan, so dass wir ihm auch nichts verzeihen müssen.
Weitere Einzelheiten zur damaligen Diskussion
Schiersteiner Lied
Protokoll vom 12.09.2006 (PDF-Dokument)
Protokoll vom 07.12.2006 (PDF-Dokument)
Bericht und Kommentar im plusPunkt Schierstein vom 07.02.2011